Identitätsentwicklung / Lebensstilorientierung

Der Begriff der Identitätsentwicklung ist sehr umfassend und wird alles andere als einheitlich und klar verwendet. Er kann hier nicht in wenigen Worten ausreichend umrissen werden. Allerdings lässt sich grob ein der Psychologie und Soziologie gemeinsamer Bedeutungskern herausschälen: "Die Definition einer Person als einmalig und unverwechselbar durch die soziale Umgebung wie durch das Individuum selbst" (Oerter/Montada 1987 296). Identität beinhaltet mindestens zwei Komponenten: "Die Person, für die man sich selbst hält, und die Person, für die einen andere halten" (ebd.). Gelten in diesem eher traditionellen Verständnis Dauerhaftigkeit und Einheit als zentrale Komponenten, so fokussieren neuere Identitäts-Konzepte auf Veränderung und Vielfalt. Teil-Identitäten bilden eine fluide, komplexe Struktur, in welcher, in Abhängigkeit von den konkreten Situationen, jeweils Aspekte bzw. Teil-Identitäten, aktiviert werden(10).

Seit Erikson (1968) gilt die Entwicklung der Identität als die zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter. In dieser Lebensphase können sich die Heranwachsenden von der kognitiven und emotionalen Entwicklung her verstärkt selbst bestimmen als jemand, der oder die viele Eigenschaften, Interessen oder Aufgaben mit anderen gemein hat, sich aber auch in wesentlichen Punkten von den anderen unterscheidet. Teilhabe und "Besonderung" bzw. Individuation sind hier wesentliche Stichworte. Gleichzeitig mit der Fähigkeit zu dieser Erkenntnis wächst der Druck, sich mit sich selbst, der eigenen Zukunft und den Anforderungen der Gesellschaft (Eltern, Peers, Schule, Beruf) auseinander zu setzen. Dazu kommen die körperlichen Veränderungen während der Pubertät, die eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtlichkeit notwendig machen. In vielfältiger Weise sind die Jugendlichen gefordert, sich mit sich, ihrem Verhältnis zur Welt und umgekehrt, dem der Welt zu ihnen, zu befassen. Die Beschäftigung mit Musik im Kontext Internet kann dabei für die Entwicklung musikorientierter Jugendlicher funktionale Bedeutung im o.g. Sinne erlangen, wie das Beispiel ‚Homepage' zeigt.

Heute gehört selbstverständlich zur eigenen Emailadresse die Zuweisung von einigen Megabit Webspace durch den Provider. Die beliebteste Art ihrer Nutzung ist sicherlich die Erstellung einer eigenen Homepage, auf der Informationen über ihren Besitzer enthalten sind. Dieses

"Selbstportrait kann so unterschiedlich ausfallen wie es die Personen, Organisationen oder Unternehmen sind, die die Homepage betreiben, und die Zwecke, denen sie dient. Bei privaten Seiten lassen sich grob zwei Motive unterscheiden: viele entstehen aus dem Spaß oder der Notwendigkeit heraus, (auch) im Netz eine persönliche Duftmarke zu setzen, andere werden zur Veröffentlichung von nützlichen, politischen, etc. "Inhalten" oder für gemeinsame Aktivitäten genutzt. Elaborierte, mit den neuesten HTML-Features versehene Kreationen aus Text, Bild und Ton stehen Seiten gegenüber, die nur das nötigste bieten - ein paar Angaben zur Person, ihrer Tätigkeit und eine Liste von bevorzugten Links. Manche Seiten präsentieren sich steif und formell, andere geben bis an die Grenze der Peinlichkeit Auskünfte über persönliche Lebensumstände und Dramen.
(...)
Wie die eigene Wohnung oder das eigene Haus spiegelt die Homepage die Konstruktion einer Identität (Hervorhebung durch die Autoren) durch die Anordnung von selbst hergestellten oder erworbenen, funktionalen und dekorativen Objekten. Solche bedeutungsvollen Objekte können persönlicher Art sein wie eigene Fotos und selbstverfasste Texte. Auch Hyperlinks haben häufig einen persönlichen Bezug, beispielsweise zum Wohnort oder zum Hobby der Autorin. Manche Objekte dienen dem Gebrauch wie etwa der Link zu einer Suchmaschine. Solche Objekte können sich als Hilfsmittel für den Eigentümer der Homepage oder als Angebot an die Besucherin der Seite darstellen - wie der eigene Stuhl, den man einem Gast anbietet." (Hoffmann 1998).