12.07.2000

Steffan Franzen

Weltmusik - Versuch einer Annäherung

Hinführung zur Problematik und Ursprung des heutigen Terminusgebrauchs

In Jeans und schlichtem Baumwollpulli sitzt Oumou Sangare in der Garderobe und erzählt über die junge Demokratie in ihrem Heimatland Mali, über ihr Engagement für die Frauen in einer immer noch polygamen Gesellschaft, über ihre Aufgabe, als songbird, als "singender Vogel", soziale Missstände des vielgesichtigen Landes zwischen Sahara und fruchtbarem Grüngürtel aufzudecken. Sie ist dabei, ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne herzustellen: über Jahrhunderte alte Melodiemuster, gespielt auf teilweise rituellen Instrumenten, legt sie aufmüpfige und erotische Texte, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären (1).

So wichtig der Beitrag der 32jährigen Wassoulou-Frau für die Infragestellung gesellschaftlicher Konventionen auf dem schwarzen Kontinent ist, so wenig bilden dies gewöhnlich den Anreiz für uns Europäer, ihre Konzerte zu besuchen. Wenn Oumou Sangare ihre westliche Kleidung gegen ein farbenprächtiges Gewand eintauscht und auf der Bühne zum Rhythmus der Kalebassen und Buschharfe ihre durchdringende Altstimme erhebt, dann ist das für uns ein exotisches Spektakel, das zuerst einmal die Augen anspricht. Wie viele außereuropäische Musiker wird die Sängerin verständnislos den Kopf schütteln, wenn wir sie mit einem Begriff konfrontieren, der für uns im letzten Jahrzehnt Synonym für jedwede Popularmusik wurde, die spezifische Klänge von Ethnien einschließt. Für uns macht Oumou Sangare "Weltmusik".