Möglichkeiten der Einbeziehung von Musik anderer Kulturen in den Unterricht

Musik anderer Kulturen kann den Schülerinnen und Schülern durch Singen, instrumentales Nachvollziehen, Bewegung zur Musik (Tanz), intensives Hören und Informationen nahegebracht werden.

In der Primarstufe sollte derartige Musik noch nicht unter systematischen oder geographischen Gesichtspunkten behandelt werden. Auch sollte sie nicht als eigener Themenkomplex behandelt werden, sondern im Zusammenhang mit europäischer Musik und mit vielen visuellen Hilfsmitteln. In dieser Schulstufe kann es wohl nur darum gehen, erste Kontakte zu der einen oder anderen Musikkultur zu ermöglichen und die Kinder zu motivieren. Dazu dürften vor allem einfache Lieder geeignet sein, die möglichst authentisch präsentiert werden sollten.

Für eine unterrichtliche Behandlung der Musik anderer Kulturen in den Sekundarstufen I und II bieten sich u.a. folgende Möglichkeiten an:

  • 1) systematisch nach stilistischen Gesichtspunkten bzw. im Vergleich mit europäischen Musikbeispielen
  • 2) nach Kulturen (bzw. Ländern)
  • 3) im Rahmen von größeren - eventuell fächerübergreifenden - Projekten (z.B.: „Wir feiern ein türkisches“ oder „afrikanisches Fest“)

Zur systematischen Behandlung der Musik anderer Kulturen bieten sich Vergleichsreihen an, in denen durch Klang- und Videobeispiele Unterschiede der Melodik, Rhythmik, Arten der Mehrstimmigkeit, Spielmanieren, Singstile und Instrumentalklänge verdeutlicht werden. Ebenso wie man Singstile verschiedener Musikkulturen miteinander vergleichen kann, bietet es sich auch an, die Handhabung und den Klang bestimmter Instrumente zu vergleichen und eventuell daraus Anregungen zur eigenen Improvisation zu nehmen. Sehr anregend - auch zum eigenen Experimentieren - sind Aufnahmen mit Schlaginstrumenten. Interessant ist beispielsweise ein Vergleich iranischer und indischer Trommelstücke mit solchen aus Afrika. Ein Vergleich von Instrumentalklängen und verschiedenen Spielweisen interessiert die Schülerinnen und Schüler ganz besonders.

Interessant dürfte auch eine unterrichtliche Behandlung der Musik anderer Kulturen unter dem Aspekt wechselnder Dominanz von Improvisation und Komposition sein. Beim Vergleich anderer Musikkulturen mit der mitteleuropäischen Musikkultur lassen sich sowohl Nachteile als auch Vorteile einer Notation deutlich machen - Vorteile etwa im Zusammenhang mit der Besprechung komplizierter polyphoner Formen und ihrer Voraussetzung: der Notenschrift.

Einige Musikkulturen haben keine derart komplizierte Notenschrift entwickelt, wie wir sie kennen. Statt dessen sind dort mündliche Tradierung und Improvisation von großer Bedeutung. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, unterschiedlichste Musik zu vergleichen. Einige anregende Unterrichtsmodelle hierzu finden sich bei Ernst Klaus Schneider (1996), z.B.: Lieder über Fremde - Lieder vom Fremdsein und Fremdwerden / Musik als Wiederholung / Musik für eine Flöte allein im interkulturellen Vergleich / Koreanische Hofmusik und Musik von Isang Yun.

An vielen Stellen bietet sich im Musikunterricht eine Einbeziehung von Musik anderer Kulturen geradezu an: Bei der Einführung in die europäische Harmonielehre beispielsweise ist es nützlich, Mehrstimmigkeitsformen einzubeziehen, die in anderen Ländern vorherrschen, also etwa Heterophonie oder Bordun.

Ebenso wichtig wie die Gestalt der Musik sind oft ihre Sinngehalte. Wir sollten deshalb auch der Frage nachgehen, was die Musik der jeweiligen Kultur bedeutet.

Hierzu gehört einiges Wissen über die geschichtliche Entwicklung jener Regionen, über ihr Sprach- und Denksystem, über Philosophie und Religion, Rituale und Zeremonien. Die Beschäftigung mit anderen Kulturen bereitet Mühe und sollte nicht durch Simplifizierung vergröbert werden.

Besonders wichtig scheint es mir, den Schülerinnen und Schülern deutlich zu machen, daß jede Musikkultur besondere Vorzüge und Möglichkeiten hat, die sie von anderen Musikkulturen unterscheidet, und daß es keinen Grund für Europäer gibt, hochmütig auf andere Musikkulturen herabzublicken.

Ziel einer Einbeziehung von Musik verschiedener Kulturen in den Unterricht sollte nicht eine Nivellierung ihrer Differenzen sein, sondern die Überwindung des hierarchischen bzw. abwertenden Denkens gegenüber dem Fremden.

Die wenigen zur Verfügung stehenden Musikstunden reichen selbstverständlich nicht zu einer vertieften Behandlung verschiedenster Musikkulturen aus. Wir sollten aber im Sinne exemplarischen Unterrichts versuchen, Schüler und Schülerinnen wenigstens in ein oder zwei Musikkulturen einzuführen. Geignet erscheinen mir für einen solchen exemplarischen Unterricht die Musikkulturen folgender Kontinente bzw. Länder:

Afrika / Japan / China / Indien / Südost-Asien und Mexiko.

Zu all diesen Musikkulturen findet man genügend geeignete Unterrichtsmaterialien.

Wenn wir auch die Musik anderer Kulturen nie so verstehen werden, wie sie der Einheimische versteht, so kann eine unterrichtliche Behandlung doch erreichen, daß solche Musik nicht mehr von vornherein als fremd und primitiv abgelehnt wird. Einige Schülerinnen und Schüler werden vielleicht angeregt, sich in ihrer Freizeit gründlicher mit Musik anderer Kulturen zu befassen. Der Musiklehrer sollte imstande sein, den Schülerinnen und Schülern weiterführende Hinweise zu geben.

Klassenfahrten können zum Besuch von Museen mit Instrumenten aus anderen Ländern genutzt werden. Es gibt diesbezüglich hervorragende Museen u.a. in Berlin, Bremen, Brüssel, Köln und München.