Hendrike Rossel: Zauberhafter Streicherklang

„Der ganze Saal wie mit Zauberklang erfüllt“ (Fränkischer Tag), „Profiorchester können da nur neidisch werden“ (La Rioja/ Spanien) – so und ähnlich formuliert immer wieder die Presse, empfindet es das Publikum bei Konzerten des Deutschen Musikschulorchesters (DMO). Da erobern sich 60 junge Streicher, die Jüngsten gerade einmal 13 Jahre alt, die Ältesten noch keine Twens, deutsche und internationale Konzertpodien mit technischer Perfektion auf dem Instrument, mitreißender Musikalität im Ausdruck und dem unvergleichlichen Charme der Jugend, die noch nicht lähmender Eintönigkeit beruflicher Routine zum Opfer gefallen ist. Wer sind diese jungen Musikerinnen und Musiker, die auf der Bühne mit der Konzentration und Leistungsfähigkeit von Profis brillieren, um nach dem Schlußapplaus in den Garderoben wie andere Altersgenossen auch herumzualbern, wild zu toben oder den Schmusebären in den Geigenkasten zu packen?

Heimat Musikschule

Musikschulen in ganz Deutschland sind ihre musikalische Heimat. Dort erhalten sie ihre Instrumentalausbildung und haben sich als Beste ihres Faches über das einmal jährlich stattfindende Probespiel für die Mitwirkung im Streicherensemble DMO qualifiziert, für das 1991 der Verband deutscher Musikschulen (VdM) mit Unterstützung der Bundesregierung die Trägerschaft übernahm.

Mit der finanziellen Förderung aus Mitteln des Kinder- und Jugendplanes des Bundes unterstreicht die Bundesregierung nicht nur die kultur-, sondern auch die jugendpolitische Bedeutung des Ensemblemusizierens. Sie eröffnet den Musikschulen – derzeit ca 1000 an der Zahl mit etwa 1 Mio. musizierenden Kindern und Jugendlichen – damit gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit in der musikalischen Jugendbildung hörbar unter Beweis zu stellen. Daß dies auch andernorts anerkannt wird, beweist die Verleihung des Sonderpreises zum Deutschen Kinderkulturpreis an das DMO im Jahre 1998.

Die Adressenliste der Orchestermitglieder des DMO liest sich im übrigen wie eine Landkarte Deutschlands: Eine Geigerin aus Arnstadt, eine aus Stralsund, ein Bratscher aus Bonn, ein Kontrabassist aus Berlin, von Düsseldorf bis Cottbus, Leipzig bis Stuttgart, Hameln bis Wangen im Allgäu sind nahezu alle Regionen der Bundesrepublik vertreten.

Weg zur Meisterschaft

Obwohl dies nicht vorausgesetzt wird, streben viele der jungen Musikerinnen und Musiker nach ihrer Ausbildung den Musikerberuf an und haben im DMO die Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen dafür zu sammeln. Nicht wenige der Ehemaligen wurden anerkannte Solisten oder spielen mittlerweile als Stimmführer und Konzertmeister in Spitzenorchestern wie der Dresdner Staatskapelle, dem Berliner Sinfonie-Orchester, der Staatskapelle Berlin und sogar den Wiener Philharmonikern.

An der „Nachwuchsschmiede DMO“ – dem einzigen Jugendstreichorchester auf Bundesebene – loben sie vor allem die Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit in der Arbeit an spezifisch streichertechnischer Perfektion, gepaart mit dem absoluten Willen zu lebendiger Musikalität. Professionelle Einstudierungsarbeit in den jährlich dreimal einwöchigen Probenphasen, Auftritte in renommierten Konzerthäusern, Hörfunkmitschnitte, Fernsehbeiträge und CD-Produktionen bereiten auf den Alltag eines Berufsmusikers auf hohem Niveau vor. Profilierte Dirigenten garantieren dabei nun schon über Jahre hinweg die künstlerische Qualität des Ensembles.

Helmut Koch, Herbert Kegel, Wolf-Dieter Hauschild, Max Pommer, Jörg-Peter Weigle und – seit 1995 – Hanns-Martin Schneidt sahen und sehen in der Leitung des DMO die Möglichkeit zu gegenseitigem fruchtbarem Gedankenaustausch und zu Erlebnissen, „wie man sie, glaube ich, in dieser Reinheit und Schönheit mit professionellen Orchestern nie haben kann“(1). Große Verantwortung fällt seit jeher den Dozenten, Stimmführern aus dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB), zu, die die einzelnen Stimmgruppen des DMO trainieren und denen u.a. der charakteristische Streicherklang des Ensembles zu verdanken ist. Da geht es auf der einen Seite um die gewissenhafte und liebevolle Hinwendung zum technischen und musikalischen Detail in den Gruppenproben, unverzichtbare Basis für alles Weitere. Hier kann sich keiner „ungeübt“ verstecken, hier gibt es aber auch in vertrauensvoller Atmosphäre Rat und Hilfe bei individuellen Problemen (sei es auf dem Instrument oder ganz „allgemein menschlich“), wird noch schnell in der Pause ein Cello oder Bass repariert, Studienberatung eingeholt … In den Gesamtproben dann wird das Mosaik zusammengesetzt; auch hier sind die Dozenten meist dabei, um ihre Gruppe „auf den rechten Weg“ zu bringen und die musikalische Entwicklung im Tutti mit zu verfolgen.

Die jugendlichen Musikerinnen und Musiker danken es mit konzentrierter Aufmerksamkeit, spielen sich „die Seele aus dem Leib“, auch ohne Publikum. Und schaffen es am Konzertabend, immer noch „eins drauf zu setzen“ – jeder Ton ist aus den Proben bekannt, hundertfach gehört und erklingt doch ganz neu mit Spannung erfüllt. Davon sind auch immer wieder die Solisten de DMO beeindruckt, seien es nun aufstrebende Spitzentalente am Beginn ihrer Karriere oder arrivierte Weltstars wie z. B. die Pianistin Annerose Schmidt (1988) oder die Klarinettistin Sabine Meyer (1998).

Wie alles begann

Inzwischen blickt das DMO bereits auf 27 Jahre Geschichte zurück. Als anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in (damals: Ost-) Berlin ein „Festivalorchester“ für das Kulturprogramm gesucht wurde, fand sich dafür das „Zentrale Jugendstreichorchester der Musikschulen der DDR“ – gegründet auf Initiative des Dirigenten, Begründers des Berliner Rundfunkchores und Leiters der Berliner Singakademie Helmut Koch – und blieb keine Eintagsfliege. Das Elite-Ensemble, das der Rundfunk bald mit Produktionen und Sendungen und unter dem Namen „Rundfunk-Musikschulorchester“ (RMO) unter seine Fittiche nahm, eroberte sich mit Erfolg deutsche und internationale Konzertbühnen.

Das DMO war in dieser Zeit mehrfach zu Gast bei den Händelfestspielen in Halle, beim Internationalen Bachfest in Leipzig, den Dresdner Musikfestspielen, im Schauspielhaus (heute: Konzerthaus) Berlin, im Gewandhaus zu Leipzig und zu Konzerten in mittlerweile den meisten Regionen Deutschlands. Nachhaltige Eindrücke hinterliess das DMO bei Tournéen nach Polen, Russland, Frankreich, Spanien und Finnland. Rundfunksendungen, Konzertmitschnitte und CD-Produktionen in Kooperation mit DeutschlandRadio haben im Jahresprogramm des DMO ihren festen Platz. Highlights des Konzertjahres 2000 sind u.a. Auftritte beim Münchener Bachfest (Mai) und bei der EXPO 2000 in Hannover (Oktober).

Das Repertoire des Ensembles lässt dabei kaum Wünsche offen. Selbstverständlich sind die großen Werke der Streichorchesterliteratur aus allen musikalischen Epochen. Beispielhaft seien hier nur Bartóks Divertimento, Brittens Simple Symphonie, die Serenaden von Dvorák, Suk und Tschaikowski, Schostakowitschs Kammersinfonie und die Suiten von Janacek und Grieg genannt. Daneben finden aber auch immer wieder Raritäten, zu Unrecht vergessene Kabinettstückchen und Zeitgenössisches ihren Platz im Programm.

Einen schönen Einblick in das Repertoirespektrum des DMO geben die mittlerweile fünf im Handel erhältlichen CDs des Orchesters. Es ist dem DMO zu wünschen, dass es ein Ort bleibt für fröhliche, tiefempfundene Freundschaft unter jungen Menschen, eingebettet in das lebensprägende Erlebnis unendlicher Freude an der Musik, und dass es als Botschafter der musizierenden Jugend Deutschlands diese Freude auch weiterhin über die heimatlichen Grenzen hinaus tragen darf. Konzertveranstalter sind gut beraten, ein waches Auge auf dieses Ensemble zu haben, denn: „Das DMO ist in der großen Konzertreihe am richtigen Platz: Es ist ein Spitzenorchester.“ (Neue Musikzeitung)

Konzerttermine
(Änderungen vorbehalten, weitere Infos
e-Mail: VdM-Musikschulen @t-online.de)

Jahr 2000
15.10.2000     15.00 Uhr
Rheinsberg, Schlosstheater
17.&18.10.2000     19.30 Uhr
EXPO 2000, Hannover, Konzerthaus
19.10.2000     20.00 Uhr
Herne, Kulturzentrum, Berliner Platz
20.10.2000     20.00 Uhr
Gevelsberg, CVJM-Haus, Südstr. 8
Programm: Wilhelm Killmayer, Fin al punto/ Felix Mendelssohn Bartholdy, Violinkonzert d-moll/ Anton Bruckner, Streichquintett F-Dur in der Fassung für Streichorchester/ Peter Tschaikowski, Serenade C-Dur op. 48

Dirigent: Prof. Hanns-Martin Schneidt/ München Solist: Matthias Wollong, Violine/ Konzertmeister des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.

Jahr 2001
22.04.2001     Potsdam, Nicolaisaal
18.05.2001     Leipzig, Peterskirche
23.06.2001     Papenburg, Alte Werft,
Musikschulsommer Weser-Ems
24.06.2001     Diepholz, Theater
04.08.2001     Herrenberg
02.09.2001     Neubrandenburg,
Konzerthalle Marienkirche
07.09.2001     Burgdorf
08.09.2001     Springe
Spanientournée:     26.10.- 06.11.2001

30.10. Logrono

31.10. Algorta

01.11. Gijon
02.11. Ourense

03.11. Burgos

04.11. N.N.

Programm: Benjamin Britten, Simple Symphonie/ Johann Sebastian Bach, Ricercare aus dem „Musikalischen Opfer“/ Francois Couperin, Pièces en concert für Violoncello und Streicher/ Josef Suk, Serenade für Streicher op. 6

Dirigent: Prof. Hanns-Martin Schneidt, München Solist: Michael Sanderling, Violoncello

Diskographie

1991 – Ars Musici AM 0991-2
Ottorino Respighi , Antike Tänze und Arien, 3. Suite
Franz Schubert, Fünf Menuette mit sechs Trios
Benjamin Britten, Simple Symphonie
Edvard Grieg, Aus Holberg’s Zeit op. 40
Hörerreaktion 1991: „Wann kommt die nächste?“

1994 – Ars Musici AM 1128-2
Edward Elgar, Introduction and Allegro für
Streichquartett und Streichorchester op. 47
Leos Janácek, aus: „Idyla“, 5. Satz: Allegro
Dimitri Schostakowitsch, Konzert für Klavier,
Trompete und Streichorchester op. 35
Josef Suk, Serenade für Streicher op. 6
WDR-Sendung „Abgehört – Neue Schallplatten“:
„Eine wunderbare Einrichtung, dieses Deutsche
Musikschulorchester“/ HÖRZU Januar 1996: „Beachtlich***“

1996 – Ars Musici AM 1189-2
Robert Fuchs, Streicherserenade Nr. 3 e-moll op. 21
Arthur Frackenpohl, Concertino für Tuba und Streicher
Peter Tschaikowski, Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48
Spiegel Kultur Extra Juli 1997:
„Hervorragend“/ Fono-Forum November 1997:
„Professionelles Niveau“

1998 – 25 Jahre Deutsches Musikschulorchester –
Ars Musici AM 1252-2
Dimitri Schostakowitsch, Kammersinfonie op. 110a
Béla Bartók, Divertimento für Streichorchester
Spiegel Kultur Extra September 1998:
„Mit Schwung und Präzision eingespielt. Fabelhaft!“

1998 – Deutsches Musikschulorchester 25 Jahre –
Ars Musici AM 1253-2
Felix Mendelssohn Bartholdy, Konzert für Klavier,
Violine und Streichorchester Nr. 1 d-moll
Peter Tschaikowski, Souvenir de Florence

Anmerkung

(1) Schneidt, Hanns-Martin (1998).
Ein Streicherklang verzaubert –
25 Jahre Deutsches Musikschulorchester,
hg. vom Verband deutscher Musikschulen, Bonn: VdM Verlag, S.

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